MIRROR4
Als Grundlage für die Performance MIRROR4 in der Ausstellung im TRUDELHAUS dient uns die Ankündigung für MIRROR3 2013
«Eine geometrische Poesie der Unmittelbarkeit. In minimalen Strichen gezeichnete Essenz einer Erinnerung an Gesten, Gebärden, Mimik und deren Umgebung. Die Bilder von körpersprachlichen Signalen (aus Zeitungen) dienten als Orientierungshilfe, Notation, Koordinaten zur Verständigung zwischen Tanz, Plattenspieler und Klavier. Es entstand ein fragiler Raum der Uneindeutigkeit und Unberechenbarkeit.»
Der Arbeits- und Performanceprozess für MIRROR4
wird von den Räumen und ihrem Ausstellungsdisplay mit Werken von Nino Baumgartner, Julian Charrière und huber.huber beeinflusst. Die Ausstellungsräume befinden sich in einem historischen Gebäude in der Altstadt Baden. Obwohl das grosse Raumvolumen in drei Etagen unterteilt ist, bildet es einen einzigen atmenden und durchlässigen Raumkörper. im ersten Stock sind Werke von huber.huber ausgestellt, markant ist ein grosser Kreis aus Rosenquarz (Durchschnitt 2,5m) neben anderen Werken an den Wänden und auf Sockeln. Im 2. Stock hat Nino Baumgartner mit schwarzem Klebeband überzogene Bambusstangen zwischen Decke und Boden geklemmt, auf einem Haufen liegen Leinwände, an den Wänden Kaltnadelradierungen und auf dem Boden ein Monitor. Alle diese Elemente geben nun das Ambiente für eine neue Partitur.
Unsere Performance in drei Teilen mit Übergängen beginnt im ersten Stock: Zwischen dem 1. und 2. Stock auf den Treppenabsätzen sind der Musiker Pelayo Arrizabalaga (mit Lenco-Turntables und Vinyl-Platten) und die Musikerin Hildegard Kleeb (mit 20 Transistor-Radios in verschiedenen Grössen) positioniert. Am Anfang fast unmerkliche Zischlaute, Rauschen und Geräusche die an Vogelstimmen erinnern könnten. Ihre Quelle sind nicht klar auszumachen. Alle Geräusche sind von Radio und Plattenspieler produziert. Ich bin in Bauchlage. Mein Kopf liegt auf einem weissen Hasenfell. Hie und da rühre ich zufällig Arme, Beine, Kopf und Rumpf; die Ausatmung gibt hierzu den Takt an. Abrupte kleine Verschiebungen bekommen Momentum, ich nütze sie und lasse mich um den Rosenquarz-Kreis von huber.huber herum weiter vorwärtstreiben, bis ich in Rückenlage lande. Nun verrückende Bewegungen rücklings in den Raum; hierzu schiebe und drehe ich mich, alsbald gleite ich auch über den Boden und lande immer wieder in neuen Positionen. Manchmal halte ich inne. Immer bedeckt und verdeckt das Fell meinen Kopf und das Gesicht. Ich sehe nur gerade ein bisschen Boden vor mir, kann aber nicht sehen, wohin ich mich bewege. Ich orte den Raum wie ein Tier, krieche und winde mich über die Treppen vom ersten in den zweiten Stock und weiter in den Dach-Stock.
Dieses Geschoss ist für das Publikum nicht zugänglich. Ausser Sichtweite verschiebe ich sachte Stühle. Viele Möbel und Gegenstände sind hier gelagert, je mehr ich von ihnen herausziehe, umso mehr prallen sie ineinander, umso lauter scheppern sie über den staubigen Dachboden. Manchmal fallen sie um oder ich werfe sie absichtlich auf den Boden, was ein grosses Getöse verursacht. Analog dazu lassen die Musiker ihr Klangvolumen anschwellen; es stemmt sich gegen den Lärm vom Dachboden.
Im dritten Teil taste ich mich gehend die Treppe hinunter, das Fell immer noch auf Kopf und Gesicht. Meine Hände lasse ich über Wände gleiten und schiebe mich auch über das Geländer. Ich nehme sozusagen die Struktur des TRUDELHAUSES in die Hände. Das Fell hängt lose an meinem Kopf. Unter dem Fell, nicht sichtbar für die Anwesenden habe ich einen Apfel zwischen die Zähne geklemmt. Inzwischen bin ich zum ersten Stock zurückgekehrt. Ich drehe und wende mich nahe an der Wand, das Hasenfell fällt herunter, ich fange es mit den Armen auf, ohne es mit den Händen zu berühren. Den Apfel immer noch zwischen den Zähnen. Jetzt sehe ich, wie der Raum aussieht, was sich darin befindet; ich nehme Konturen von Objekten, Schattierungen von Licht und Farben und die versammelten Menschen direkt wahr. Dieser Gesamteindruck und das 'Getuned'-Sein mit dem Sound geben die Richtungen und die Struktur für eine Improvisation mit Gesten, die momentan den ganzen Körper erfasst. Meine Bein-Bewegungen bringen den Plattenspieler zum Hüpfen. Die Geräusche der Körperbewegungen mischen sich in die Klang-Performance. Der Klang reduziert sich bis in die Stille und die feine Hand-Gesten verebben entsprechend.